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Der große Tote

Helmut Schmidt. Er hatte eine seltsame, altfränkische Frisur, die ihm aber stand. Es gab für ihn keine andere. Am Tag nach seinem Tod würdigen sie ihn von allen Seiten. Mit einer gewissen Würdelosigkeit. Sie vergaßen etwa nicht, darauf hinzuweisen, dass sie den Qualm seiner Mentholzigaretten ertragen hatten, „deren Vorrat unerschöpflich schien”. Was für ein Quatsch. Wenn eine Packung leer ist, muss man eine neue kaufen. Unerschöpflich! Der Weltökonom. Der Jahrhundert-Lotse. Politiker, Publizist, Philosoph (Pianist fehlt noch). Der Mann, der die RAF besiegte. Ästhet der Macht. Wirtschaftskanzler, Gipfelstürmer, Währungsreformer. Der Hanseat. Üb immer Treu und Redlichkeit. Weltmeister der Raucher. Schmidt Schnauze. Oberleutnant der Wehrmacht. Haben Sie gedient? Altkanzler und Altraucher. Großer Staatsmann und noch größerer Staatsschauspieler. Jahrhundertfigur. Instanz, Idol, Integrationsfigur. Die energische Exzellenz. Der Marc Aurel der deutschen Sozialdemokratie. Bestseller-Autor. Berater der Nation. Legende zu Lebzeiten. Ewiger Lehrmeister. Vom Macher über den Denker zum Mahner. Deuter des Weltgeschehens. Der unbeirrbare Raucher.

Er war so stur wie Peter Scholl-Latour (war das jetzt schon ein Gedicht?). Dass er zeigte, auch Raucher können lange leben, wurde zum Ärgernis. Dass er die Deutungshoheit des politischen Weltgeschehens zu haben schien ebenfalls. Er konnte ja aber nichts dafür, dass er ständig gefragt wurde und zu allem eine fundierte Meinung hatte. Er war wohl der erste deutsche Kanzler, der deutsches Selbstbewusstsein gegenüber den dominanten Amerikanern zeigte. Die konnten sich nur wundern. Heute wundern sie sich nicht mehr.

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