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Archive for the ‘Meister des Sports’ Category

Aber jetzt ist längst September

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Wir waren schier unersättlich © FJK

Als ich kam, saßen meine Sportfreunde schon im Kreis, mit halblangen Hosen, barfuß auf der grünen Wiese, die Schuhe oder Sandalen beiseite gelegt, ’ne Flasche Bier nach Gerhard-Schröder-Art in der Hand. Wir rauchen alle nicht. Die Gruppe funktioniert, erlaubte ich mir zu sagen. Wladi hatte zu einer Männer-Party in seinem Garten eingeladen, für Fleisch und Bier sorgte er, alles andere könnten alle anderen mitbringen. Nicht, dass dann jeder mit Kartoffelsalat kommt, sagte Tommy, warum nicht, dann manchen wir einen Kartoffelsalat-Wettbewerb, sagte ich, und dann meldeten sich alle im Netz an und sagten, was sie mitbringen werden von Quiche über Kräuterbaguettes und Bratwurst bis zum Dessert. Die Gruppe funktioniert, sag ich noch mal. Nebenan arbeitete der bärtige Nachbar auf dem Schuppendach. Er hat gesagt, er braucht nur ’ne Stunde. Sah aber eher so aus, als wolle er hinüber gebeten werden. Wir redeten über die Verkehrsbetriebe und das Blitzschachturnier in der Theatergasse in Karlshorst, über den deutschen Fußball und über Eheverträge und darüber, dass nicht jeder, der Handke heißt, ein Kind von Peter Handke sein kann. Schüchterne Rufe nach dem Grill wurden geäußert, aber davor zeigte Wladi noch Haus und Garten. die Gewächshäuser, den Anbau, die Pavillons, das Baumhaus mit Rutsche, den Eßplatz, das sauber aufgeschichtete Brennholz, jede Menge. Mein Rasen, dachte ich nur so für mich, sieht besser aus, ich habe Weißklee und Ackerschachtelhalm erfolgreich bekämpft, muss mir allerdings auch sagen lassen, dass das ein Spießerrasen sei. Wir sahen auch das schöne große TV-Gerät und dachten an Deutschland gegen Japan am Abend. Der Tisch war reich gedeckt. Die Spieße erinnerten mich ans Schaschlik, das ich vor einigen hundert Jahren auf dem Arbat gegessen hatte – mehr Lob geht nicht. Nach dem Essen gab’s zwei Wodka pro Nase, weil man auf einem Bein nicht stehen kann; und dann ging’s in den Keller., wo die Tischtennisplatte steht. Wir hatten alle unsere Schläger dabei, wie gesagt, die Gruppe funktioniert, wir spielten in unterschiedlichen Doppelbesetzungen einige Stunden lang, wobei jeder kosten konnte, wie Sieg und Niederlage schmecken. Der Alkohol war längst verflogen. Bedürftige tranken im Anbau einen Kaffee. Ich hatte wie alle den Fußball ganz vergessen, sah jetzt aufs Smartphone und dachte: Kann doch nicht wahr sein. Deutschland – Japan 1:2. Ist ja aber noch Zeit zum Ausgleich oder Sieg. War aber nicht. War nur noch Zeit zum 1:3 und 1:4. Es war aber ein schöner Abend und eine denkwürdige, ich sag jetzt mal, Sportler-Party. 

Am nächsten Tag wurde Hansi Flick gefeuert. Ein Trainer., der mir nicht unsympathisch ist, ganz anders als etwa sein Vorgänger. Ich kann auch nicht wirklich sagen, was er falsch gemacht hat und wo diese ganze Pleiten und Niederlagen herkommen. Vielleicht hat er vergessen, dass er ein Mann ist, der für den eher einfachen Fußball steht und der sich im Netz seiner Experimente verfing. Dass er aber nach dem Debakel gegen Japan sagte: Ich finde, wir machen das gut und ich bin der richtige Trainer, das war eine Art von Realitätsverweigerung, wie sie ein Politiker auch nicht besser hinbekommen hätte.

Drei Tage später saß der alte Rudi Völler mit den jungen Assistenten Hannes Wolf und Sandro Wagner auf der Trainerbank. Rudi oder auch Tante Käte hatte vorsichtshalber schon mal gesagt, dass Gegner Frankreich die beste Mannschaft Europas sei, aber das wäre gar nicht nötig gewesen. Der alte Thomas Müller, als Mittelstürmer, der er nicht ist, aufgeboten, bekam den Ball gleich mal in die Eier und drosch ihn vor Wut ins Tor. Deutschland – Frankreich 1:0. Wir spielten sehr robust und körperlich, die Basics wurden abgerufen von einer Mannschaft, für die es um Kopf und Kragen ging, während es für Frankreich um gar nichts ging; das Team und auch der Schiedsrichter schienen etwas Mitleid mit den bedrängten Deutschen zu haben; Kylian Mbappé wurde nicht mal eingewechselt, was einer Demütigung gleich kam, und das war alles in Ordnung so. Deutschland gewann 2:1 gegen Vizeweltmeister Frankreich. Und das ohne den eigentlich unersetzbaren Joshua Kimmich. Was sagt uns das nun wieder?!

Die haben’s doch noch gemacht

Januar 16, 2023 2 Kommentare

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Trauer müssen die alten tragen (vielleicht auch nicht, sie haben treu gedient)

© FJK

Gleich nach Weihnachten, in der Zeit des großen Umtauschs, kaufte ich mir neue Indoorschuhe. Meine Töchter waren dabei und unterstützten mich, ich brauche Beratung und Ermutigung, allein bin ich zu unentschlossen. Um die alten Schuhe tat es mir leid. Ich hatte sie vor etwa zehn Jahren im Butterfly-Store gekauft. Als ich sie anprobierte, signalisierten meine Füße sofort: Genau. Die sind es. Da musste ich mich auch über den saftigen Preis hinwegsetzen; der schien gerechtfertigt zu sein. So war es auch. Ich fühlte mich in den Schuhen gut, sicher und leicht. Leider haben meine großen Zehen die Angewohnheit, sich durch das Obermaterial zu bohren. Vielleicht aus Neugierde. Oder um Luft zu schnappen. Es ist mal der rechte, mal der linke große Zeh; hier war es der linke. Das sah abenteuerlich aus, aber ich konnte mich von den Schuhen nicht trennen. Ich dachte, erst wenn sie mir vom Fuß fallen, hau ich sie weg, und es gab durchaus auch Risse an den Seiten, und der Grad von Ausgelatschheit war deutlich. Aber wer schmeißt was weg, das ihm jahrelang treue Dienste geleistet hat! „… jedes Ding, das sich verirrt hat, stört und gefährdet den Frieden der Welt”, heißt es in der Autobiographie von Martin Gumpert. Also. Ich habe die neuen Schuhe und werfe die alten nicht weg. Vielleicht kriegen sie noch eine Chance. Die neuen sind, wenn ich das richtig sehe, aus North Dakota. Kaum hatte ich sie an, zeigte mir Sportfreund Christian, dass er die gleichen hat, eine Nummer kleiner. Wenn er damit glücklich ist, kann ich es auch sein.