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Posts Tagged ‘Real Madrid’

Fußball im April

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Auf verlorenem Posten

Dem Torwart des Drittligisten flutscht ein Kopfball durch die Lücke zwischen den Beinen. Das reicht, um die Pokal-Karriere des 1. FC Saarbrücken zu beenden und die sogenannten Roten Teufel ins Pokalfinale zu befördern. Die Saarbrücker scheitern am schwächsten ihrer Gegner im Pokal. Sehr unglücklich. 

Am Abend schoss Hansa keine Tore, bis plötzlich, eingangs  der zweiten Halbzeit der wackere Rossbach eines seiner wenigen, aber immer wichtigen Tore machte. Rot für Wiesbaden. 2:0 Pröger. Wiesbaden in Unterzahl 1:2; am Ende Ingelsson 3:1. Wir armen Hansa-Rostock-Schweine sind noch in der Verlosung. Mehr nicht. 

FC Union. Am Sonnabend um halb eins sammeln sie sich in Karlshorst, versorgen sich mit Bier, trinken schon mal an. Berlin-Liebe, Osttrotz, Todes-Beschwörung, Hertha-Verachtung, Verehrung bis zur Krankhaftigkeit, ein Unioner kann vernichtet, aber nicht besiegt werden. 

Heidenheim – Bayern 0:2, wenn es nach der 1. Halbzeit geht. Zweite Halbzeit 1:2, 2:2, 3:2. Man wundert sich, dass der Trainer nicht vorzeitig gefeuert wird. Die Bayern haben keine Bayern-Ehre mehr im Leib. 

Vorab sah es so aus, als würde Bayern in London gegen Arsenal untergehen, sie liegen auch bald 0:1 hinten, fressen fast das 0:2. Dann macht Arsenal einen Flüchtigkeitsfehler, Sané bringt seine Schnelligkeit ein, 1:1, dann noch mal, Elfmeter 2:1 für Bayern. In der zweiten Halbzeit haben die Bayern das Spiel im Griff, aber dann spielt Arsenal einmal schnell und gut und der Belgier Trossard gleicht aus. Die Bayern treffen noch mal den Pfosten, Arsenal hätte auch noch einen Elfmeter bekommen können, und Thomas Tuchel sieht das Spiel krankhaft einseitig, wie er alles krankhaft einseitig sieht. 

Hansa verliert gegen Hertha 0:4; wie eine Drittliga-Mannschaft. Das muss mir auch erst mal einer erklären: Wie eine Mannschaft im Abstiegskampf sich von einer Gurkentruppe wie Hertha so abschlachten lassen kann. Aber der Pokalfinalist Kaiserslautern verliert auch und bleibt unter Hansa. 

Im Fußball läuft alles wie erwartet. Schalke ist nach dem Sieg gegen Nürnberg wohl raus aus dem Abstiegsfeld. 

BVB – Atletico: 1:0 Julian Brandt, 2:0 Maatsen, 2:1 Hummels (ET), 2:2 Correa (Dortmund ist raus), 3:2 Füllkrug (Verlängerung), 4:2 Sabitzer (Dortmund im Halbfinale). Spannend, dramatisch, erlösend. 

Während wir uns im Kino einen Drei-Stunden-Film ansehen, verlieren die tapferen, gleichwohl harmlosen Hanseaten in Hamburg 0:1, machen St. Pauli zum Tabellenführer und sich selbst zum ziemlich sicheren Absteiger. Wir hätten es eh nicht verhindern können.

Amazon Prime. Bayern München – Real Madrid. Mit einem der größten (stratoshärischen) Pässe der Geschichte bereitet Toni Kroos das 1:0 für Real vor. Vinicius Junior,macht es, und auf der Tribüne alterte Uli Hoeneß noch mal um zehn Jahre. In der zweiten Halbzeit, als Real selbstgefällig glaubt, Bayern an die Wand spielen zu können und Kroos fast das 2:0 macht, steht es dann binnen weniger Minuten 2:1 für die Bayern. Eine schlechte verteidigte Einzelleistung von Sané und ein Elfer, gegen den man nicht viel sagen kann. Am Ende kriegt auch Real noch einen Penalty, gegen den man gar nichts sagen kann, aber die Bayern protestieren stürmisch, vorne weg Kimmich und Kane. Am Spielfeldrand tobt das ganze Spiel über Trainer Tuchel. Das kann nicht gut gehen auf Dauer für den Mann. 

Jeder Mensch hat einen Schatten, den er nicht mehr los wird. Uli Hoeneß` Schatten ist Toni Kroos. Den wollte er kurz halten im Gehaltsgefüge des FC Bayern. Du bist kein Weltklassespieler, Toni (er kam ja nur aus dem Osten). So ging Kroos zu Real Madrid und wurde die große Nummer, die er sowieso schon war, letztlich der erfolgreichste deutsche Fußballer. Und Hoeneß glaubte wie so oft, gegen den Strom schwimmen zu können. Diese Querpässe. Toni Kroos hat im modernen Fußball nichts zu suchen. Als Kroos für die Nationalmannschaft reaktiviert wurde, sagte Hoeneß: Das ist ein Titanic-Signal. Als er dann zurückruderte, war es zu spät. Jeder weiß jetzt, wer im modernen Fußball nichts zu suchen hat. 

In den Souks

Dezember 3, 2023 2 Kommentare

(Marrakech 2)

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Als ich Hakimi war © ETh, FJK

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Vor der Schlacht

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Nette Ecke

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Universum der Schilder

Unser Riad, das Haus wo wir wohnen, heißt The Gardens. Es liegt unweit eines lebhaften Parkplatzes, dann geht’s durch eine Straße, an deren Anfang ein Metzger mächtige Fleischseiten aufgehängt hat (die Vegetarier schütteln sich), es folgen zwei kleine Läden für alles, was man so braucht, dann biegen wir links in eine schmutzige Gasse ein, landen vor einer Tür, die eher zu einer Werkstatt führen könnte. Wo sind wir denn hier hingeraten, denke ich, das wird hart. Und dann platze ich heraus: Das ist aber schön! Das Haus ist um einen Innenhof herum gebaut. Unten haben wir einen kleinen Salon. Küche, Zimmer, Bad. Von der Galerie im ersten Stock gehen zwei Zimmer und das Bad ab. Und dann geht’s noch mal ’ne Treppe hoch, zur Dachterrasse, zu ihren Füßen das durchsichtige Schiebedach. Wir sehen hinunter auf einen Park. Am Ende unserer Zeit in Marrakech werden wir sagen, dass wir viel zu wenig Zeit auf der Terrasse verbracht haben. Die Zimmer haben keine Fenster nach draußen. Man hat sich vor Sonne, Lärm und Dreck zu schützen. Die Treppen sind steinerne Stiegen, die Abstände unregelmäßig, die Warnung Caution: Watch your Steps, ist mehr als angebracht, Watch your Head, muss noch hinzugefügt werden; denn da taucht über dir immer mal unvermittelt eine Zwischendecke auf. 

Wenn ich die Architekten Marrakechs, jedenfalls die der Altstadt, richtig verstehe, haben sie keinen Wert auf äußere Pracht gelegt. Ein Haus hat seine Schönheit, seine Zweckmäßigkeit, seine Charme innen zu entfalten. Das ist ein Prinzip, mit dem ich gut leben kann. Im Haus lebt man hier immer auch mindestens halb draußen, in Sonne und Luft. Marrakech ist nicht nur eine Katzen-, sondern auch eine Terrassenstadt.

Es sind 28 Grad, wir sind unterwegs zu den Souks, von denen wir viel gehört haben. Was aber sind die Souks? Die Souks, werden wir sehen, sind unerschöpflich und labyrinthisch. Sie bilden das Wirtschafts- und Geschäftszentrum einer orientalischen Stadt. Lange Schneisen, meist überdacht mit Lattenrosten oder gelben Plastikplatten, bergen zu beiden Seiten Gelasse, in denen die Händler inmitten all ihrer Waren sitzen. Die Überfülle der Überfülle der Überfülle. Du hast Geschrei erwartet, Hektik – ist aber nicht. Es gibt charmante Einladungen, keinen Kampf, keine Nötigung. Das Absurde ist der Verkehr, der sich durch diese Gassen schiebt. Autos, Fahrräder. Motorbikes, Mopeds, Phantasiefahrzeuge. Und die Fußgänger natürlich, die sich möglichst nah am rechten Rand halten. Walk on the right side. Es ist unmöglich, dass sich all das aneinander vorbeizwängen kann. Und doch fließt es. Es wird gehupt, geknattert, gerufen. Der Verkehr in den Souks läuft regellos; er funktioniert, weil alle jederzeit geistesgegenwärtig und reaktionsschnell, gewandt und furchtlos sind und ihren Instinkten trauen. Streit und Handgreiflichkeiten kommen nicht vor; Unfälle haben wir nicht gesehen, niemand liegt am Boden. Diese Dynamik ist nicht durch Fotos und Filme vermittelbar. Sie ist nur live erlebbar. Was zur Wahrheit dazugehört: Dieser Fuhrpark ist letztlich Schrott, der in China und Europa nicht mehr gebraucht und nach Afrika verkauft wird, wo er für massenhafte individuelle Mobilität und Abgase sorgt. Eine entkarbonisierte Welt ist nicht vorstellbar.

Ich habe gesehen, wie die Händler in ihren Gelassen Schachfiguren schnitzten oder mit einem rotierenden Faden Rillen ins Holz schnürten. Das Handwerk blüht. Tischler, Holzschnitzer, Teppichweber, Keramiker, Töpfer, Seiler, Zeichner und Maler, Korpusgürtler, Gestalter. Wer etwas kaufen will, lässt sich Zeit, der Verkäufer ebenso. Kann sein, dass du den Händler halbierst, aber leicht ist das nicht. Du brauchst Nerven und Charme.

Es war der Tag, an dem ich Hakimi war. Wir erinnern uns an die traumhaften Auftritte der marokkanischen Fußballnationalmannschaft zur WM in Qatar. Seitdem besitze ich ein Trikot von Hakimi, dem stürmischen rechten Verteidiger, ich habe auch eines von Bono, dem lachenden Torwart, der mir fast noch lieber ist. Hakimi habe ich schon im Blick, seitdem er, damals noch als Leihspieler von Real Madrid, beim BVB in Dortmund spielte, wo er gern ein Extrator schoss (Nina Hagen). „Wir“ hätten ihn gern behalten. Aber das war nicht darstellbar, er zog weiter zu Inter nach Mailand und nach Paris zu Saint Germain. An diesem Tag in den Souks trug ich das rote Hakimi-Trikot mit seiner Nummer 2. „Hakimi!“, riefen die Marokkaner, „Hakimi!“, wir klatschten uns ab und waren eine Familie. Die Leute mögen es, wenn man ihre Helden auch anderswo verehrt. Kulturelle Aneignung hat keine Chance, körperkulturelle Aneignung auch nicht. Kultur ist immer universal, gehört allen. 

Hansis Debüt

Kein Durchkommen. Berlin Alexanderplatz
© FJK

Liechtenstein – Deutschland 0:2. Man erwartet gegen das 38 000-Einwohner-Ländchen ein zweistelliges Ergebnis, aber die Liechtensteiner, Spieler aus der 2. bis 6. Schweizer Liga, hielten bis zur 41. Minute das 0:0. Dann avancierte Timo Werner zum Spielverderber. Ulkig, wie dem armen Leroy Sané (oder Sahne laut Löw) in der ersten Halbzeit das Pech an den Schuhen klebte, ihm gelang nichts, kein Dribbling, kein Pass, dafür in der zweiten Halbzeit das 2:0. In den Spielern waltet noch viel Löwscher Geist. Bundestrainer Hansi Flick immerhin schien auch belustigt zu sein, als die Experten scharf nachfragten. War ja auch amüsant zu beobachten, wie die Liechtensteiner Amateure und Halbprofis mit Geschick, Glück und Leidenschaft ihr Tor verteidigten. Nach zwei gelungenen Paraden zu Beginn war Torwart Benjamin Büchel im Flow und wurde zum Super-Hero.
Ich hoffe, Uli Hoeneß hat das Spiel nicht gesehen. War er doch der Meinung, dass Toni Kroos das deutsche Spiel mit seinen Querpässen gelähmt und im modernen Fußball nichts mehr zu suchen habe. Er kann nicht vergessen, dass Kroos den FC Bayern via Madrid verließ, weil das Gehaltsgefüge bei den Bayern aus dem Gleichgewicht geraten war. Nun konnte man sehen, wer da in die Lücke, die Kroos mit seinem Rücktritt hinterlassen hat, sprang. Von Kimmich war nicht viel zu sehen. Der machte den Eindruck eines verwöhnten Knaben, der es nicht erträgt, dass ihm die anderen Kinder das Spielgerät wegnehmen. Wenn man eine tiefstehende Mannschaft nicht knacken kann, helfen Standards und Fernschüsse. Was wir da von Gündogan und Süle, von Sané und Kimmich sahen, war ärmlich. Die Lücke ist größer als gedacht, das heißt: Mir war das schon klar.

War schon ungünstig, dass Hansi Flicks Debüt nach der bleiernen Löw-Zeit ausgerechnet gegen den Fußballzwerg Liechtenstein stattfand. Auch wenn du haushoch gewinnst, siehst du da irgendwie schlecht aus. Aus meinem Freundeskreis hörte ich, dass jemand, der mit über fünfzig noch Hansi genannt wird, es nicht weit bringen wird. Das sehe ich nicht so. Wie soll man sich gegen so einen Namen wehren. Ich fand Flicks Lockerheit bemerkenswert. Alles Schicksalhafte ist ihm fremd. Er hat einen weiten Weg zu gehen, und er hat nichts zu verlieren.

Deutsches Phlegma

Deutschland – Mexiko. Eine innere Stimme und der Fußballsachverstand sagten mir: 0:1. Aber mein Patriotismus veranlasste mich, 2:2 zu tippen. Und die Zuversicht der Medien. Bei Spiegel online konnte man erfahren, dass die deutschen Spieler ihren Trainer nahezu abgöttisch lieben, was allerdings dazu geführt haben könnte, dass sie ein Gutteil von seiner Tranigkeit übernommen haben, was dem Spiel nicht unbedingt gut tut. Die Mexikaner wussten damit geschickt umzugehen. Sie spielten schnell und rasant nach vorn und fanden große Räume, in die sie hineinstoßen konnten. Vermasselten allerdings viele Chancen, so dass man schon glauben konnte, wir kommen mit einem blauen Auge davon. Kamen wir aber nicht. Was ist mit der Mannschaft los? Sie spielt mit der Selbstgefälligkeit des Weltmeisters. Die Bayern-Spieler sind immer noch fest davon überzeugt, dass sie beim Ausscheiden gegen Real Madrid in der Champions League in beiden Spielen die bessere Mannschaft waren. Sowas vernebelt die Gehirne. Ich entdecke keine andere Spielidee bei uns als Toni Kroos. Der Taktgeber. Es ist ein einfaches Mittel, seine Passwege zuzustellen, und das haben die Mexikaner gemacht. Von Özils berühmten schrägen Ideen war wenig zu sehen. Die deutschen Spieler gehen alle zum selben Friseur (so sieht’s jedenfalls aus). Und: Es sind zu viele Phlegmatiker in der Mannschaft. Ich will sagen: zu viel Gleichförmigkeit. Die Spieler scheinen von der Masse der erhobenen Daten über alles und jedes erdrückt zu werden. Es wurde etwas besser, als die Unsrigen in der zweiten Halbzeit in ihrer Not anfingen, unstrukturierter und wilder zu spielen. Und es ist verdammt vermessen, zur WM zu fahren und nur die Titelverteidigung im Auge zu haben. Nicht an den Titel denken! Nur an das nächste Spiel! Muss man denn an diese einfache Fußballweisheit immer wieder erinnern?

 

Wo der Fußball regiert

Inoffizielles Mahnmal in Berlin-Hellersdorf
© Fritz-Jochen Kopka

Hier regiert der FCU. Auf seine Art. Diese Säule findet sich irgendwo in Hellersdorf. Ich weiß nicht mal, ob der Platz zwischen Kaulsdorf Nord und Kienberg, auf dem sich ein Lidl und eine Bowlingbahn befinden, einen Namen hat. Die Fußballsaison nähert sich dem Ende. Von Union aus betrachtet, also vom FCU, dem 1. FC Union Berlin, fällt der Trainerwechsel ins Auge. Unter Jens Keller, dem früheren Schalker Trainer, spielte Union um den Aufstieg mit, schoss Tore, brachte seine Stärken auf den Platz. Keller wurde völlig überraschend entlassen. André Hofschneider, alter und treuer Unioner, der gerade seinen Trainerschein gemacht hatte, wurde installiert. War da was vorgefallen mit Keller? Nein. Union wollte den fünften Schritt vor dem dritten machen; die Mannschaft sollte nicht so ausrechenbar sein, ein variableres Spielsystem einüben. In der Folge spielten sie nicht schlecht, aber notorisch erfolglos, als wollte der Fußballgott die Union-Bosse für diesen frivolen Trainerwechsel bestrafen. Mittlerweile ist man ein Teil des Abstiegskampfes, der gut die Hälfte der Liga erfasst hat. Ich denke, dass Union nicht absteigen wird, aber was sie da verpasst bekommen haben, ist schon mehr als ein Denkzettel. Man wird jetzt richtig nachdenken müssen bei Union.

Und wenn wir jetzt von der zweiten Liga nach oben greifen wollen, kommen wir zum Ausscheiden Bayern Münchens im Halbfinale der Championsleague gegen Real Madrid. Wie heißt es jetzt: Der Traum vom Triple ist ausgeträumt. Tut mir leid. Ich kann den Traum vom Triple nicht verstehen. Meine patriotischen Gefühle sind kümmerlicher Art, wenn es um Bayern München geht. Spieler, die ich mochte, werden mir unweigerlich unsympathisch, wenn sie zu Bayern München wechseln. Das kann doch nicht nur an mir liegen. Sie werden da irgendwie zu Snobs. Und ich bin froh, wenn mir Uli Hoeneß’ Triumphgefasel erspart bleibt. Aber sie haben gut gespielt, haben alles reingeworfen, und Real Madrid hat mich nicht überzeugt. Die Abwehr wackelte bedenklich. Sie schlagen die feinere Klinge, aber sie spielen meistens einen Pass zu viel, um die beste Schussposition zu finden; und sie spielten in diesem Fall quasi ohne Stars, Cristiano Ronaldo, Toni Kroos und Asensio blieben blass. Und doch haben sie in der Gesamtabrechnung mit 4:3 gewonnen. Es ist klar, dass das Team, das mindestens drei Tore schießen muss, engagierter an das Match herangeht als die Mannschaft, die gar kein Tor zu schießen bräuchte. Bayerns Trainer Heynckes sagte am Ende: Wir waren in beiden Spielen die bessere Mannschaft. Der Reporter ließ wissen, dass Bayern München für ihn der moralische Sieger sei. Wie lächerlich ist das denn. Fußball ist ein Ergebnis-Sport, kein B-Noten-Sport. Die besseren Mannschaften verlieren nicht, da müsste der Schiedsrichter schon übermächtig sein. Und moralische Sieger sehen leicht bescheuert aus, falls es sie denn überhaupt gibt.

An Karl-Heinz

April 19, 2017 2 Kommentare

Nach der Niederlage und dem Ausscheiden des FC Bayern München im Viertelfinale der Champions League gegen Real Madrid hielt Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge vor dem abschließenden Bankett eine leidenschaftliche Ansprache. Dabei gibt folgende Passage zu denken: „… ich muss sagen, ich habe heute zum ersten Mal so etwas wie wahnsinnige Wut in mir. Wut, weil wir beschissen worden sind. Wir sind beschissen worden heute Abend, im wahrsten Sinne des Wortes!”

Beschissen worden kann gut sein, Sportfreund Rummenigge, aber beschissen worden im wahrsten Sinne des Wortes? Ich habe weder an Ihrem noch am Anzug irgendeines anderen Bayern-Kickers oder -Funktionärs Spuren von Kot entdecken können. Auch habe ich niemanden mit heruntergelassener Hose herumlaufen sehen, was ja erst mal die Voraussetzung wäre, um jemanden anscheißen zu können im wahrsten Sinne des Wortes. Rede und Sachverhalt stimmen hier nicht überein. Also, wenn Sie, Sportfreund Rummenigge, manchmal nicht so recht wissen, was sie sagen, holen Sie sich doch professionelle Unterstützung. Wir helfen gern.

 

Auf dem Boden der Realität

Zum Glück bekam ich keine Karte für die Akademie der Künste und konnte Fußball schauen

Zum Glück bekam ich keine Karte für die Akademie der Künste und konnte Fußball schauen

Wie kann es sein, dass die beste Fußballmannschaft der Welt in zwei Halbfinalspielen um die Championsleague mit 0:5 untergeht? Ganz einfach. Die beste Fußballmannschaft der Welt gibt es nicht. Die ist nur eine Erfindung der Medien, intendiert von Uli Hoeneß, der ja auch glaubt, die besten Würstchen und die besten Börsenspekulationen der Welt machen zu können.

Dennoch bleibt die Frage interessant, wieso Bayern München gegen Real Madrid chancenlos war. Sie spielten vor einer aufgeputschten Zuschauermasse, die jede Aktion der Madrilenen mit einem gellenden Pfeifkonzert begleitete. Und die Spieler selbst befanden sich auch im Zustand der Aufgeputschtheit (von den Phlegmatikern Kroos und Schweinsteiger abgesehen). Neuer war sein Torraum wieder mal zu klein, er wollte unbedingt draußen mitspielen und wäre um ein Haar überflankt worden. Mandzukic, Ribéry und Robben wollten mit dem Kopf durch die Wand und wenn sie ihre Gegenspieler foulten, hatten sie immer das Gefühl, selbst gefoult worden zu sein, Herr, vergib ihnen. Aber reden wir von Madrid, reden wir von diesen phänomenalen Innenverteidigern Pepe und Sergio Ramos. Verglichen mit Dante und Boateng konnte man an ihnen schon mal den Unterschied festmachen. Wie hellwach die waren. Wie die jede Lücke zustellten. Was die außerdem für die Spieleröffnung taten. Alles ohne Fouls. Und da sind die beiden frühen Kopfballtore von Ramos noch nicht mal erwähnt. Beim zweiten reklamierte Manuel Neuer lächerlicherweise auf Abseits, wie er das ja immer tut, wenn er mal hinter sich greifen muss. Lächerlich auch, wie die Bayern-Spieler jedesmal hysterisch Zeitspiel reklamierten, wenn ein Madrilene am Boden lag und behandelt werden musste. Die Real-Spieler waren es gewiss nicht, die die Zeit fürchten mussten. Das war ein großer Schlag auf den Kopf für uns, sagte Franck Ribéry nach dem Spiel. Gewiss. Aber im Spiel verteilte er die Schläge auf den Kopf und konnte froh sein, ohne rote Karte davongekommen zu sein.

Allerdings zeigten die Bayern nach dem Spiel Größe. Sie suchten keine Ausflüchte, sie schoben die Schuld nicht auf den Schiedsrichter (der erkennbar Mitleid mit ihnen hatte) und sie gestanden ihre Unterlegenheit ein. Da haben wir das Positive an der Sache. Die Bayern sind auf dem Boden der Realität gelandet. Es geht nicht mehr um neue Rekorde, es geht nicht mehr um ein zweites Triple, es geht nicht mehr darum, dass sie trainieren, als gäbe es kein Morgen – es geht jetzt um eine schlichte Selbstbefragung. Um das Ende der Euphorie.

Herr Fuss reift

Zwei Mannschaften, zwei Vereine, zwei Fahrräder – sind sich nicht grün, bekämpfen sich, stehen Rücken an Rücken

Zwei Mannschaften, zwei Vereine, zwei Fahrräder – sind sich nicht grün, bekämpfen sich, stehen Rücken an Rücken

Was für andere das Ereignis des Jahres ist – Real Madrid gegen Bayern München – , ist für mich der typische Restfußball vom Mittwochabend. Es steht schon 2:1 für Real, der Gleichstand in Hin- und Rückspiel ist hergestellt. Nach meinem Training sitze ich da in milder Stimmung mit maladen Gliedern. Bei Bier und Schnitzel. Große Chancen werden nicht mehr herausgespielt. Beide Teams müssen höllisch aufpassen, ein Gegentor, das jetzt fällt, kann das Ende sein, für Real auf Grund der Auswärtstorregel mit ziemlicher Sicherheit. Jede der beiden Mannschaften hat die Endspielteilnahme verdient, stelle ich fest, sie sind auf Augenhöhe. Ebenfalls stelle ich fest, dass die Stimme von Herrn Fuss, dem Reporter, sich nicht modrig anhört wie gewöhnlich und dass er sich verbal zügelt. Das war ja meine Hoffnung, dass er sich gut gemeinten Ratschlägen gegenüber nicht verschließt. 2:1. Es bleibt dabei. Verlängerung. Ich habe das Gefühl, dass Real Madrid etwas mehr tun müsste, was heißt etwas mehr, nein, alles geben müsste. Passiert aber nicht. Man täuscht sich kaum, wenn man das Gefühl hat, dass die Spanier, wenige Wochen vor der EM, müde sind. Özil ist ausgewechselt worden. Bei ihm kann man immer auf einen Geistesblitz hoffen, auf der anderen Seite ist er mir zu apathisch. Kaka ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Bei den Bayern gefällt mir Alaba über die Maßen, der schwarze Wiener, wie Phönix aus der Asche aufgestiegen mit neunzehn Jahren. Elfmeterschießen. Das Ende ist bekannt. Neuer hält zwei Elfer, und zwar gleich die ersten beiden, Casillas hält ebenfalls zwei. Alles wieder offen.  Aber dann kommt Sergio Ramos und semmelt den Ball weit übers Tor.

Ich würde mich jetzt ohne weiteres mit den Bayern über den realisierten Endspieltraum im eigenen Stadion freuen, wie ich auch nicht schadenfroh gewesen wäre, wenn sie das Endspiel verfehlt hätten. Wenn ich nicht fürchten müsste, dass der Präsident bei nächster Gelegenheit seine Allmachtsphantasien nicht auslebt, aber eben doch ausdrückt. Der Herr Hoeneß. Und dabei verächtlich auf den Rest von Fußballdeutschland herabblickt. Die anderen Vereine müssten sich ein Fernrohr besorgen, um die Bayern auf ihrem Olymp überhaupt sehen zu können, da können die Borussias die Bayern so oft besiegen, wie sie wollen. Fuss reift, Hoeneß nicht. Ja, das ist der Grund, warum ich unterbewusst den Bayern den Sieg des öfteren nicht gönne. Ich habe Angst vor diesen Tiraden, dem Triumphgeheul, diesen primitiven Trompetenstößen. Sie gehen mir auf die Nerven. Der FC Bayern ist das Paradies auf Erden. Wer dort eingelassen worden ist, lebt für alle Zeit auf der Sonnenseite. Die einen huldigen der Devise, dass Not erfinderisch mache. Aber beim Spitzenfußball scheint es so zu sein, dass Luxus locker und frei macht. Das ist doch langweilig, Mensch.

Wie spricht ein Fuss?

April 18, 2012 5 Kommentare

Soll ich den Ton wegklicken? Ich habe Probleme mit einem Fuss, der spricht und spricht. Mit vollem Namen: Wolff-Christoph Fuss, der für Sat.1 die Championsleague zutextet. Das Wort Zutexten ist hier angebracht. Ich bin überzeugt, dass der gute Fuss zu Hause sitzt, sich die Spielernamen von Bayern München und Real Madrid anschaut und die Statistik, um Einfälle zu reüssieren, Wortwitz, Provokation, Lakonismen, Übertreibungen, Spott, Pathos, Eigenlob. Ich nehme weiter an, dass Marcel Reiff zu seinen Vorbildern gehört und der gute Fuss sich zu den intellektuelleren Fußballberichterstattern zählt, zu den coolen, aber auch ganz coolen Typen. In Gesprächsrunden ist er noch okay, da gibt er zu bedenken und relativiert, mir gefällt auch, dass er ein bisschen unsportlich aussieht, früh übergewichtig und so weiter. Aber wenn er seinen Kernjob versieht, dann verstellt er seine Stimme, als käme sie aus einem verdammt feuchten Keller, in dem sich Kröten und Ratten tummeln. Er macht den Unsrigen, in diesem Fall Bayern München, Mut, auch wenn sie ihn nicht hören können. Fuss scheint davon überzeugt zu sein, dass sie, die Spieler, ihn fühlen. Er agiert wie ein kleiner Junge, der bei jedem Teilerfolg vom Mantel des Größenwahns gestreift wird. Real Madrid hat keine Chance gegen Bayern München, der Verein, der eine Mannschaft für die großen Momente hat (was bedeutet es da schon, dass sie in den kleinen Momenten – gegen Dortmund und Mainz – versagt). Er verspottet Cristiano Ronaldo, der es wagt, sich auch vor den Augen des Monsieur Fuss breitbeinig in Positur zu stellen, um einen Freistoß zu treten. Und er wird sehr schnell kleinlaut und niederträchtig zu den eigenen Leuten, wenn sie den Ausgleich hinnehmen müssen oder gar in Rückstand geraten. Genug. Hoffen wir, dass der Fuss menschlich reift. Hoffen wir, dass die Unsrigen nicht allzu oft obsiegen, damit sein Größenwahn uns nicht in den Wahnsinn treibt.

Zu loben ist, dass der FC Bayern mit seinem bäuerlichen Stil gegen die hochsensiblen Madrilenen zwar nicht gut aussah, aber sich doch Respekt verschaffte. Zu loben auch, dass der FC Bayern sich auf eine interne Arbeitsteilung verständigt hat. Im ersten Drittel der Saison kam Thomas Müller die Aufgabe zu, Elfmeter herauszuholen. Aber so was spricht sich in Schiedsrichter- und Fankreisen herum. Dann war Arjen Robben an der Reihe. Nun macht es Franck Ribéry. Aber der kleine Franzose fordert die Strafstöße so ungestüm, dass die Schiedsrichter abwinken. Hm. Da muss man sich noch was einfallen lassen.

Und auch wir, die Liebhaber des Fußballs, sollten Ideen sammeln: Was können wir tun, um aus dem FC Bayern München ein sympathisches Team zu machen. Vorschläge werden hier gern entgegengenommen.