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Posts Tagged ‘Ilja Ehrenburg’

Atemmasken werden verteilt

Schon zehn nach zwölf, aber kein Problem
© FJK

Vorjahres-Collage Januar – Februar – März

Schwefelschwaden zogen durch die erste Nacht des neuen Jahrs. Es war nicht auszumachen, welcher Art das Vergnügen war, das die Akteure empfanden. Nicht alle, die auf der Festmeile sind, sind Idioten, aber alle Idioten sind auf der Festmeile. Die einsame Gestalt des Buchhändlers, ein introvertierter Einzelkämpfer verborgen in Parka und Kapuze. Ein Betrunkener verließ die Bahn, schwankte, gestikulierte mit ausgebreiteten Armen und sang Ein Freund, ein guter Freund. Die Kolumnistin sieht sich mal wieder auf Augenhöhe mit Bill Gates. Traumberuf: Rentner. Noch besser: Westrentner. Schießen im Nebel. Wer sich noch erinnern kann, wo die Scheiben stehen, gewinnt. Die besseren Kinder rufen Achtung, ein Jogger. Die dümmeren stehen einfach im Weg. Es gab Tee und Kuchen. Ein Schnaps war auch auf Nachfrage nicht im Hause. Was machen sie, wenn ein Notfall vorliegt! Mit André Schürrle kam das Unglück zum BVB. Es kostete 38 Millionen €. Schlaganfall. Der Notruf in der Chefetage. Ich beginne, mich für’s Fasten zu interessieren.

Sie musste aus einer angefangenen Flasche einen Schluck Wasser nehmen und lange im Mund behalten, durch die Zähne gleiten lassen und schließlich runterschlucken. Sie schloss die Augen, um nicht zu sehen, was die Heilerin tut. Es könnte sein, dass von jemandem in ihrer Familie schlechte Einflüsse ausgehen, sagte die Heilerin. Ein Reclam-Bändchen von Ilja Ehrenburg. Wahnsinn, sowas konnte man früher ohne Brille lesen. Es ist fast zu viel Harmonie unter uns, man kann beinah sagen Euphorie. Deutschlandradio Kultur mit der allfälligen Elendsberichtserstattung. Bei Edeka streikt die Kasse. Schulz wird endgültig zur tragischen Gestalt. In der SPD nennt man das menschliche Größe. Die vierte Staffel: Das Alter meldet sich nachdrücklich: Freundinnen im Seniorenheim, Begräbnisse, Enkelkinder. Er trinkt nicht alleine, und Leute, die mittrinken, kennt er keine. Dem Wirt sterben die alten Gäste weg und junge kommen nicht nach. Der Mann ist dem Augenschein nach doppelt so groß wie die Frau, und er wiegt auch mindestens das Doppelte. Scheißmusik und Scheißgequatsche. Der langhaarige Kellner, der nach Höherem strebt, berechnet uns zwei Bier zu wenig. Das lassen wir ihm ausnahmsweise durchgehen. Als Schiedsrichter würde ich Robben nie einen Elfer geben, und wenn die Gegner ihn mit Fäusten im Strafraum niederstreckten. Ein typisch altersloser Literaturwissenschaftler im lichten Blond, der auch eine Matrone sein könnte. Die Kranken entdecken im Alter Körperkultur und Sport. Die Sparkasse – vier Mitarbeiterinnen kommen mir mit erhobenen Armen entgegen, sie haben keinen Strom. No money today.

Sieht schlimm aus bei den Hausärzten. Treppenhaus und Flur voller Röchelnder, Hustender, Stöhnender. Atemmasken werden verteilt. Für den Menschen in der Großstadt bezeichnend, sagt Georg Simmel, sind Blasiertheit, Reserviertheit mit latenter Aggression auf Grund der Reizüberflutung. Der Mann von Christine heißt Olaf und malt Tierbilder. Eine ungeschickte junge Polin mit dickem Po als Kellnerin. Bin ich denn der einzige Sensible hier? Die Floristin meint, es sei jetzt nicht mehr so heftig mit dem Andrang am Frauentag. Die Tradition lässt nach. Die gefühlt hundertste Frank Schöbel-Jubiläums-Show. Das Publikum voller aufgekratzter, glücklicher, übergewichtiger Beifallsklatscher. So weit sind wir: Dass die Verrückten die Normalen Spinner nennen. Der Bratwurstverkäufer war Russe, der Kunde war auch Russe. Sie verständigten sich auf einsilbige Art, als wollte der eine nichts mit dem anderen zu tun haben und der andere nichts mit dem einen. Ich ging mit meiner (russischen) Bratwurst zur Karl-Marx-Allee. Er sagte zum Beispiel Öl-Schkizze zu Bildern seiner Frau und nannte die Preise. Er war stolz auf diese Preise, als hätte er die Bilder selbst gemalt. Eine jodelnde Ulknudel aus der DDR. War im Nachhinein natürlich auch widerständig und hatte dabei eigene TV-Shows. Warum schrieb die gläubige Katholikin und Pfauenfreundin so böse Geschichten? Nicht alle Toten sind tot. Schräg schneit’s auf uns hernieder. Es ist still im Lokal. Ein alter Herr erscheint, um zwei Bier und zwei Schnäpse zu trinken und zwei Sätze mit der Kellnerin zu wechseln. Nicht lange nach ihm erscheint ein ähnlicher alter Herr, der Mittag isst, Bier trinkt, Sätze mit der Kellnerin wechselt.