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Am Rest der Welt

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„Dächer über der Gormannstraße“. Monotypie von Barbara Putbrese, 39 x 45, 1999

Fassaden auf dem Weg zur Abstraktion. Hohe, aneinander gedrängte Häuser, umgeben von Farbflächen, die Flachdächer sein könnten. Wir blicken auf eine Schlucht, auf eine Festung, von der man nicht weiß, ob sie schützt oder einsperrt, vielleicht beides. Die Häuser müssen es mit einem Himmel aufnehmen, der nichts Gutes bereitzuhalten scheint, kein bisschen blau. Die Welt, wie sie vielleicht wirklich ist. Auf den Kern gebracht. Oder zusammengequetscht durch tektonische Platten. Die Häuser mögen mal gewöhnliche Maße gehabt haben. Dann wurden sie von diesen Platten derart verschoben, dass sie immerhin nicht zerbrachen, aber enger und höher wurden, trostlose Türme, hinter deren diffusen Fenstern ein K., ein Karl Rossmann und ein Gregor Samsa wohnen mögen, vielleicht ebenfalls ein-, hoch- und zusammengedrückt, Menschen wie trostlose Türme.  

Der Rest der Welt zusammengepresst auf ein paar Quadratmeter. Unter dem Druck sind die Häuser in die Höhe geschossen, berühren einen Himmel aus geronnenem Blut, und auch die tektonischen Platten (oder banalen Dächer), die diesen Schub bewerkstelligt haben, drohen in diesem verschorften Rot. Aus soliden Häusern sind fragile Türme geworden, man stellt sich vor, dass aus den soliden Einwohnern hohe Strichfiguren geworden sind, die sich ebenso als Rest empfinden wie der Rest der Welt.  

Das Rätsel in der Mitte des Bildes: Eine Säule in dunkelblau, schwarz, türkis und gelb. Und oben darauf ein unversehrtes, kleines Haus. Diese Säule: Ist das der Abgrund, in den der Rest der Welt stürzen wird? Ist sie ein Wasser, auf dem ein kleines Haus stehen kann (ohne zu versinken), wie Jesus über Wasser ging? Ein Hoffnungsort für die Übergebliebenen? Und der gelbe Streifen am Rand dieser Säule: Gehört er überhaupt zum Abgrund oder doch zu einem der zusammengepressten Häuser? Rechts neben den gewalttätigen verschorften Platten erkennen wir auch solche in verschorftem Grün, Grünblau und Ocker. Hier ist wenigstens kein Blut geflossen. Aber kann uns das beruhigen?

Verzeihung. Wir haben heute leider einen Hang zum Dramatischen. Wir erleben hier nur einen Abend mit apokalyptischer Anmutung, wie er gelegentlich vorkommt und sich unserer Gefühle bemächtigt. Sein gutes Recht. 

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