Glücklich wie ein Trottel
Lange aufgehalten habe ich mich bei Enrique Vila-Matas und seinem Roman „Dublinesk”. Kein Wunder. Das Buch tritt mit Inbrunst auf der Stelle, der Leser auch. Dagegen ist nichts zu sagen. Vila-Matas ist, was wir nicht wissen, einer der bekanntesten spanischen Autoren der Gegenwart. 1948 in Barcelona geboren. Nach dem Studium Filmjournalist. Einige Jahre in Paris. Dann wieder in Barcelona.
Mit dem in der Anderen Bibliothek erschienenen Roman saß ich einige Male in der S-Bahn, ein paar Mal im Wartezimmer des Zahnarztes, und ich lag ziemlich oft damit im Bett. Ich mochte Riba, Samuel Riba, der Vorname wird nur ein einziges Mal genannt, um den es geht und nur um ihn, den Literaturverleger, das Fossil.
Riba hat wegen ruinöser Bilanzen seinen Verlag geschlossen, aber, viel wichtiger, auch deshalb, weil es ihm nicht gelungen ist, was er aber von Anfang an wollte, einen genialen Autor zu entdecken. Ohne eine solche Entdeckung ist der Verleger nur ein Schatten. Riba, nun ohne Aufgabe, lebt weiter, als sei nichts geschehen, das Leben eines Verlegers, grundiert vom „Gemütszustand einer Endzeitpsychose”. Nicht selten referiert er den nicht unbeträchtlichen Katalog seiner Publikationen.
Wir lernen ihn kennen, wie er in Barcelona verstockt bei seinen greisen Eltern sitzt, er soll ihnen von seiner Reise nach Lyon erzählen, aber was soll er sagen, er hat das Hotel nicht verlassen und eine allgemeine Theorie des Romans geschrieben, gerade gut genug für den Papierkorb.
Endlich ist er zurück bei Celia, seiner Frau, begrüßt sie mit einem Kuss und „lächelt glücklich wie ein Trottel”, woran viel Wahres ist. Die glücklich Lächelnden erscheinen uns oft vertrottelt; wie kann man heutzutage glücklich lächeln.
Riba hat den Hang, das Leben wie einen literarischen Text zu lesen. Er leidet am Alter, an der Tatenlosigkeit, am Computer-Autismus, an sozialer Katerstimmung und am Alkoholverzicht, meditiert darüber, wie er sein Leben lebenswert macht, indem er es monotonisiert. Er beobachtet den Regen von Barcelona und plant eine Reise nach Dublin, um dort mit engen Freunden die Gutenberg-Ära zu begraben und den Bloomsday zu feiern.
Am Ende wird der trockene Alkoholiker rückfällig, verliert seine Frau und erlebt das Wiederauftauchen des Autors als unglaublich optimistisches Omen. „Immer taucht plötzlich jemand auf, an den man nicht im Traum gedacht hat.” So ist Leben? Besser: So ist Literatur. Der Literat zieht sich am eigenen Schopf aus der Depression heraus.
Ein Literat wie Riba hat nur mit der Literatur und mit Literaten zu tun, alles andere ist lästig und überflüssig (abgesehen vom Alkohol). Im Umfeld der fiktiven Gestalt Riba tauchen reale Literaten, Sänger, Maler, Schauspieler, Regisseure auf. Monica Vitti sagt: „Mein Haar tut mir weh.” Tom Waits öffnet die Tür seines Hotelzimmers und grunzt: „Hier passt keiner mehr rein.” Und Paul Auster erkundigt sich bei Riba: „Willst du etwas als Kaution hinterlegen?”
Eine Frage, die kein Mensch versteht, Riba zuletzt. Er weiß nur eins:
„Ich habe immer geglaubt, dass wir jemanden brauchen, sobald es dunkel wird.”
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Juli 29, 2014 um 11:35 amEnrique Vila-Matas: Dublinesk. Noch einmal in Blooms Schatten und auf den Spuren von Joyce. | Sätze&Schätze
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