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Posts Tagged ‘Edmund Stoiber’

Es war einmal im Unrechtsstaat

Güstrow/Meckl. Der Norden ist in den Süden verliebt. Von Osten und Westen reden wir nicht

Güstrow/Meckl. Der Norden ist in den Süden verliebt. Von Osten und Westen reden wir nicht

Welche Sau wird gerade mal durchs Dorf getrieben, in dem es anscheinend nichts Besseres und nichts Wichtigeres zu tun gibt? Der Unrechtsstaat. Da sind die einen, die nicht mehr atmen können, wenn nicht jeder im Dorf sich dazu bekennt, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. Und da sind die anderen, die mit einerseits und andererseits ein bisschen lavieren. Der Gedanke, vierzig Jahre in einem Unrechtsstaat gelebt zu haben und durch seine Maschen geschlüpft zu sein, ist ihnen unangenehm. Und schließlich die dritten, die sich fragen, was an diesem Wort so bedeutend sein soll. Lohnt es sich, dafür den Herzinfarkt zu riskieren? Wenn man nachts zwischen elf und zwölf sieht, dass Edmund Stoiber sich bei Anne Will gebärdet wie ein Zitterrochen, wie er jedem ins Wort fällt, wie er immer in Gefahr ist, vom Stuhl zu fallen, damit sich nur nicht die Meinung verbreitet, die DDR könne eventuell nicht das Etikett Unrechtsstaat tragen, der fragt sich, ob wir schon in einer Gespensterwelt leben. Mir ist nicht bekannt, dass Stoiber sich je auch nur halb so leidenschaftlich über den Hitler-Staat erregt hätte.

Mir ist es gleichgültig. Liebe ist nur ein Wort (Johannes Mario Simmel). Unrechtsstaat ist auch nur ein Wort. Jeder kann es haben. Jeder kann es sagen. Keiner weiß, warum es wichtig ist. Mit dem Wort Unrechtsstaat kriegt noch kein Obdachloser ein Dach über den Kopp. Und an der gelebten Realität ändert es auch nichts.

Relevant ist es jedoch aus wahltaktischen Gründen. Ein großer Teil der politischen Klasse setzt darauf, dass der Linkspartei die alten Ostwähler weglaufen, wenn sich die SED-Nachfolger zum Unrechtssaat bekennen und dazu, dass sie ihn selbst gemacht haben. Die Thüringer Linkspartei hat es mit einigen Windungen vollbracht. Wahrscheinlich hält sie das für Pragmatismus. Unter dieser Voraussetzung sind SPD und Bündnis 90 bereit, mit einem linken Ministerpräsidenten zu koalieren. Irgendwann stellen wir fest, wir haben uns wegen dieses Wortes die Köpfe blutig geschlagen. Und? Hat es etwas gebracht? Ja. Die Zeit verging schneller dabei. Und wir haben uns ganz wichtig gefühlt.