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Posts Tagged ‘Das Literarische Quartett’

Peter privat

Hier bin ich Mensch …
© Christian Brachwitz

Das ist der Wohnwagen von Herrn Peter Altmaier, dem Kanzleramtsminister. Welchen wichtigen Posten er in der neuen Regierung einnehmen wird, ist noch nicht sicher, auf jeden Fall ist er Angela Merkels wichtigster Mann. In jeder Talkshow, die sie nicht selbst wahrnehmen kann oder will, springt er ein und spricht ganz in ihrem Sinne. Voll vertrauenswürdig. Ihn hat noch keiner aus der Fassung gebracht. Wenn es dann mit der Talkshow und dem anschließenden versöhnlichen Plausch zu spät geworden ist, fährt Peter Altmaier nicht mehr nach Hause, sondern er geht in seinen bereitstehenden Wohnwagen. Das ist eigentlich immer das Schönste. Er liebt das einfache Leben, das Leben auf engem Raum, und er sagt: Es sieht vielleicht nicht danach aus, aber mein Wohnwagen ist drinnen ziemlich luxuriös. Es gibt sogar einen kleinen Kühlschrank, und darin befinden sich immer kleinen Leckereien, Sachen, die ich vergessen habe, und über die ich mich umso mehr freue, wenn ich sie wiederentdecke. Ein kleines Piccolofläschchen Sekt ist auch meistens dabei, ein Piccolöchen, wie man so sagt.

Sie haben sicher vieles selbst gemacht, an diesem Wohnwagen?

Oh nein, sagt Peter Altmaier, ich bin mit den Händen gar nicht so geschickt, ich bin ein typischer Kopfarbeiter. Die hübsche Gardine, die ist allerdings von mir. Da treffen sich Geschmack und Geschick.

In Wahrheit weiß ich natürlich nicht, ob dies wirklich der Wohnwagen von Peter Altmaier ist; es fiel mir nur so ein, aus reiner Sympathie.

Und dann denke ich an ein Interview, das der Spiegel vor zwei Jahren mit Claus Peymann führte, als der noch Intendant des Berliner Ensembles war.

Jetzt kommt der Minister, sagte Peymann, wie heißt der noch mal, der es jetzt richten soll, der Dicke?

Altmaier?

Ja, der. Altmaier tritt als Retter auf. So eine Art Falstaff, wie bei Heinrich IV., ein trink- und raufsüchtiger Soldat. Ich würde ihn sofort engagieren. Wahrscheinlich müsste man ihn dauernd betrunken machen, dann wäre er ganz toll. Solche haben wir am Theater leider nicht.

Wieso nicht?

Auf der Bühne geht es nur um Schönheit. Die Schönen werden Schauspieler. Das ist ein Problem, denn man braucht auch Normalität und Hässlichkeit auf einer Bühne. Da könnten wir uns vielleicht bei der Politik bedienen.

Claus Peymann! Ich möchte eigentlich mindestens jeden Monat ein Interview mit ihm lesen. Dem fällt wirklich immer was ein. Wie großartig war doch auf einmal das Literarische Quartett, als Claus Peymann zu Gast war! Er sollte immer mitmachen, habe ich damals schon gesagt. Mein Gott, ich komme ja hier vom Hundertsten ins Tausendste.

 

Er brachte Leben in die Bude

Other Voices, Other Rooms oder: Ein schöner Rücken kann auch entzücken

Claus Peymann brachte Leben in die Bude, das heißt in sein eigenes Theater, heißt auch, ins Post-Reich-Ranicki-Literarische-Quartett. So kurzweilig und spannend war die Sendung zum ersten Mal in der Weidermann-Zeit, und das lag an Peymann, lag aber auch an Thea Dorn, die eine schnelle Sprecherin und sicher auch eine schnelle Denkerin ist, bei der keine Bildungslücke wahrnehmbar wird; keine Ahnung, wie sie das hinkriegt. Für mich unverkennbar bringt sie ihrer Mitstreiterin Christine Westermann eine sympathische Ungeduld entgegen. Thea Dorn ist Profi, Christine Westermann Amateurin, das reibt sich schon mal.

Dorn begann mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für Toni Morrisons neuen Roman; Peymann war sofort in aller Entschiedenheit auf ihrer Seite und verriet, dass die anderen drei zu besprechenden Bücher nicht entfernt an diese Klasse herankämen, nur Westermann meckerte elegisch. Volker Weidermann als Gastgeber störte dieses Mal kaum; er ist das Muster des richtigen Mannes am falschen Platz. Der richtige Mann am richtigen Platz wäre Claus Peymann, der demnächst ja nicht mehr Intendant des Berliner Ensembles sein wird. Würde er sich den Mühen eines solchen Berufsleser- und Moderatoren-Jobs unterziehen? Das weiß man nicht. Peymann ist nur in seiner Unkalkulierbarkeit kalkulierbar. Von ihm kommen immer klare, überraschende Worte. Er ist die personifizierte Postmoderne, meinetwegen auch Postpostmoderne. An seiner Seite lief Thea Dorn zu neuer Form auf. Sie befeuerten sich wechselseitig, und auch wenn sie sich einmal extrem uneinig waren, waren sie dies mit einem kühnen Lächeln und bestreitbaren Argumenten.

Was bei dieser Diskussion nebenbei noch herauskam: Man soll nicht so viel auf herausgerissene Zitate geben, weder im Guten noch im Bösen. Mit einem aus dem Zusammenhang genommenen Zitat kann man jeden Autor erschlagen. Es gibt eben auch ziemlich schlecht geschriebene sehr gute Bücher. Als Beispiel führt man immer Dostojewski an, meistens tun das gar Leute, die ihn nie im Original gelesen haben. Und außerdem: Er musste schnell schreiben. Er brauchte das Geld. Zum Leben und zum Spielen.