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Posts Tagged ‘Claes Bang’

Der Platz, wo alles besser ist

Abends kommen die Filme
© Fritz-Jochen Kopka

1

Ihrem Mann sollte eine Frau besser verschweigen, dass der Film „The Square” eine stattliche Überlänge hat (insgesamt 142 Minuten), im Original mit Untertiteln gezeigt wird (wie es ja immer geschieht im Kino in den Hackeschen Höfen, aber das weiß nicht jedermann und nicht jeder Mann) und dass sie kein Popcorn-Geknusper neben sich vernehmen möchte.

Der Mann sitzt im Kino neben krampfhaft motorischen Leuten und auch solchen mit einer schwachen Blase (viel Unruhe) und denkt nach 110 Minuten, jetzt könnte der Film eigentlich auch mal aufhören, aber er verliert nie das Interesse an den Gestalten und dem Geschehen, ein Phänomen.

2

Christian Nielsen, der Chefkurator des X-Royal-Museums in Stockholm, ist ein auffällig unauffällig gutaussehender Mann. Er hat sich daran gewöhnt, dass er den Leuten, vornehmlich Frauen, gefällt, dass er sie für sich einnehmen kann, er hat sich noch nicht daran gewöhnt, dass er sich nicht immer darauf verlassen kann. Während er sich bemerkenswert konsequent auf das Eine fokussiert, geht ihm womöglich das wichtigere Andere durch die Lappen. Aber das lässt sich reparieren. Auch daran hat er sich gewöhnt: Das Reparable des Lebens. Also: Was auch geschieht, nichts ist unwiderruflich. Gelassenheit ist die beste Tugend.

3

Der Film hält viele Zumutungen vor. Die Länge, das nicht zu Ende kommen wollen, und wenn er denn doch zu Ende kommt, ist das ein Ende, aber kein Schluss. Nichts ist besiegelt. Der Lärm, der ständig gemacht wird. Musik, Maschine, Geschrei. Von rechts oder links, von oben oder unten dringen unentwegt Hilferufe an unser Ohr. Szenen werde bis zur Unerträglichkeit ausgespielt. Das Zähe, Un-Entscheidbare des Kunst- und Lebensbetriebs wird uns aufgedrängt. Die vermeintlichen und die echten Bedrohungen, die nicht nur die Leute im Film betreffen. Ungnädige Bettler. Durchdrehende Performer. Drohende Kinder. Halbgesunde und Halbverrückte. Hochmütige Nerds. Schweigende Milliardäre. Opportunistische Journalisten. Wie konnte das alles nur so weit kommen? Wie soll man das alles bloß aushalten. Wir finden keine Antworten, das liegt aber auch an unseren blöden Fragen. Das alles soll uns gehörig auf den Senkel gehen, und das tut es ja auch. Und das wird auch so bleiben.

4

Dieser Film des Schweden Ruben Östlund hat die Goldene Palme in Cannes gewonnen. Das war der Kritik nicht recht. Sie hatte anderes im Sinn. Der Film war ihr zu halbherzig und eher Teil des Problems, als dass er zur Lösung der Probleme des Kunstbetriebs beitragen wolle.

Claes Bang spielt den Christian. Man denkt, man habe ihn schon einige Dutzend Mal im Kino gesehen, aber der dänische Schauspieler ist neu im Filmgeschäft und doch ganz vertraut. Es lohnt sich vielleicht aber doch, über diesen Typ nachzudenken. Wenn du dich im Kunstgeschäft durchsetzen willst, brauchst du das große Geld, die großen Namen und die radikalen Ideen, um Aufmerksamkeit zu erringen. Christian zählt sich zu den Guten. The Square, das Quadrat, ist der Raum, in dem jeder jedem Vertrauen und Achtsamkeit entgegenbringt. Das ist sein Ausstellungprojekt. Nach und nach bekommen wir mit, dass der Kurator sein Ziel mit einer durchaus sympathischen Arroganz verfolgt, die ihm nicht bewusst ist. Es ist purer Hochmut, einen kleinen Raum zu erobern, auf dem ich auf Grund meines selbstherrlichen Anspruchs die Regeln des modernen Lebens außer Kraft setzen kann. Ich, der große, geniale Christian Nielsen. So kann er nur scheitern, aber er ist eben auch von der Art, dass er das nicht so wichtig nimmt.

Auf die Weinstein-Sache antwortet der Film auch. Christian ist auch so einer, der seine Macht mitspielen lässt, um Frauen zu erobern, hier die amerikanische Kunstjournalistin Anne, die, wir trauen unseren Augen nicht, ansonsten anscheinend mit einem Schimpansen zusammenlebt.

Wenn wir ihnen aber bei ihrer Sexarbeit zusehen, können wir keinesfalls so klar sagen, wer sich hier wessen bemächtigt. Die gute Anne (Elisabeth Moss, unsere Freundin aus „Mad Men”) hat etwas absolut Dämonisches und dem Kurator ist es gar nicht geheuer in ihrem Bett. Mit der Meldeliste Me too kommen wir auf diesem verwickelten und durchaus nicht einseitigen Gebiet nicht weiter.