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Posts Tagged ‘Biergarten Golgatha’

Was geschah am Wasserfall

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Das Wichtigste des Viktoriaparks auf einen Blick: Wasserfall und Nationaldenkmal. Wobei dem Wasser das Wichtigste fehlt                                                                                         © Sisterheart

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Auf dem Dach von Berlin

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Noch ein Gedenkort

Weil der Grunewald explodierte, fuhren die Züge nicht nach Bad Belzig. Wir blieben in der Stadt und suchten als Plan B den Viktoriapark in Kreuzberg auf. Zunächst passierte, was nie passiert; es regnete. Die nächste Kneipe war das New Yorck Coffee (in der Yorckstraße, klar), da hatten wir Glück. Ein Tresen, hohe Wände, originelles Interieur, Bagels mit Frischkäse, alles, was man sich an Kaffee wünschen kann, besorgte Väter und ein seltsamer Gast aus Hawai. Auch wenn die Frauen draußen noch die Regenschirme aufspannten, hatte der Regen doch aufgehört. Auch feuchte Luft kann den Frisuren schaden. Wir gingen über die Monumentenbrücke, sahen die Rote Stadt und dachten an Peking. Warum wollten wir überhaupt in den Viktoriapark? Weil es dort einen Wasserfall gibt. Es ging aufwärts. Wir sahen keinen Wasserfall, aber eine Statue, die an den blonden Jungen der Kindl-Reklame denken ließ, aber Heinrich von Kleist darstellte, der mit seinem Drama „Die Hermannsschlacht“ seinen Beitrag für den Befreiungskampf gegen Napoleon leistete. Und das ist, neben dem Wasserfall, das zweite Highlight des Viktoriaparks: das Nationaldenkmal von Schinkel in Erinnerung an die Schlachten um 1813, auch der Katzbach-Schlacht wird gedacht. Und wenn uns pausenlos gesagt wurde: Der geht ja ran wie Blücher an der Katzbach, so ist den nachfolgenden Generationen diese Wendung überhaupt nicht mehr bekannt; es ändern sich die Zeiten. Man weiß nicht, ob man es bedauern soll. Der Kreuzberg ist angeblich die höchste Erhebung der Stadt und ja, man fühlt sich wie auf dem Dach von Berlin, auch wenn die Wiesen vertrocknet sind. Ein Läufer in bestem Mannesalter und blauem Trikot kreuzte mehrfach unseren Weg, manchmal wechselte er in den Spazierschritt, um alsbald wieder zu joggen, gerade so, als wollte er an einem Tag sein gesamtes Übergewicht weglaufen. Dann fanden wir den Wasserfall, der allerdings nur ein Fall ohne Wasser war. Hat die Dürre sich schon so breitgemacht? Nein. Es wird gemeldet, dass eine Ratte ein Kabel im Pumpenhaus durchgenagt hatte. Vielleicht hatte sie das Rauschen gestört. Sie lag dann tot neben dem zerstörten Kabel; aber das Wasser kann nicht mehr fließen, so weit hat es das Tier gebracht. Das ist im November passiert, aber die Reparatur der alten Anlage gestaltet sich schwierig. Das ist doch Storytelling, sagte jemand, die Verwaltung wird ihrer Verantwortung nicht gerecht, da kommt ihr eine Ratte gerade recht. Immerhin sahen die Felsen des Wasserfalls auch ohne Wasser imposant aus. Wir trafen einen Hund, der der deutschen Sprache zumindest akustisch mächtig war und weitere Denkmale, deren Bedeutung zum Teil nicht aufklärbar war. Inzwischen waren wir hungrig genug, um uns über den Biergarten Golgatha zu freuen. Golgatha? Nach Golgatha kommt die Erlösung. Bratwurst, Salate, Backkartoffel. Auf dem gut gepflegten Sportplatz an der Katzbachstraße zog der Mähroboter seine Kreise. Das war’s also mit dem Viktoriapark. Über die Kreuzberg- landeten wir in der Bergmannstraße mit ihren genialen Schnorrern und den vielleicht originellsten Läden von Berlin. Während die Leute nicht aufhören konnten, zu essen und zu trinken, dachten wir über die deutsche Gedenk- und Denkmalkultur nach. Das sollte man auch tun, wenn die Denkmale ungepflegt oder verdreckt sind. Vielleicht gibt es einfach zu viele Gedenkorte, und es werden immer mehr. Haushalten wäre eine gute Idee.