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Perlmann therapiert

Nah und doch so fern

Nah und doch so fern

Der Tatort vom Bodensee war außergewöhnlich. Perlmann, von dem wir schon immer viel gehalten haben, erlebt seine schwerste und größte Stunde und mit ihm sein Darsteller Sebastian Bezzel. Perlmann/Bezzel wird ewig mit dem Image des jungen Mannes rumlaufen. Alle Leute fühlen sich bemüßigt, ihn zu belehren oder zurechtzuweisen, er nimmt das hin, ist ja eigentlich unerreichbar.

Marco Wiersch, der Autor, hat eine hocheffiziente Konstellation konstruiert, in die ein Dutzend Figuren verwickelt ist, und alle diese Figuren agieren interessant, überraschend, differenziert. Es ist ein Krimi, in dem kein Schuss fällt. Aber es brennt. Brennt lichterloh. Von einer Sekunde auf die andere bekommt der Film einen sagenhaften Drive. Als nämlich das entführte, viele Jahre lang eingekerkerte, manipulierte, abhängig gemachte und nunmehr völlig verstörte Mädchen Rebecca den Polizisten Perlmann fragt: Bist du mein neuer Erzieher? Perlmann ist perplex, aber er nimmt die Rolle an, weil dies wahrscheinlich der einzige Zugang zu Rebecca ist. Für diesen neuen Job hat die Polizeischule ihn nicht ausgerüstet; vielleicht aber das Leben, vielleicht hilft ihm auch sein Charakter. Er ist es gewohnt, an der Seite der ungeliebten, aber doch liebebedürftigen und leidensfähigen Chefin Klara Blum (Eva Mattes) vieles mit unbewegter Miene wegzustecken und sich selbst treu zu bleiben. Er handelt nach seinem Gefühl, nach seinen Instinkten und lässt sich nicht von der Psychologin (Imogen Kogge) dominieren, die zwar immer weiß, was auf keinen Fall geht, dabei aber kein Stück weiterkommt.

Rebecca ist natürlich eine sagenhafte Rolle für Gro Swantje Kohlhof, aber Bezzel mit seinem kultivierten Understatement steht ihr nicht nach. Der Autor Marco Wiersch und der Regisseur Umut Dag haben eine saubere Leistung abgeliefert, wie wir sie im deutschen Fernsehen seit langem nicht mehr gesehen haben.

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